Abenteuer Haus

6.10.10, Mittwoch. Nach einem superlangen Tag bin ich im Hotel grad noch zum Essen gekommen und dann nach dem Duschen tot ins Bett gefallen. Stephan hat die Stellung gehalten und abends Finanzverhandlungen geführt, da wir beschlossen haben, Nägel mit Köpfen zu machen.

7.10.10, Donnerstag. Einige Telefonkonferenzen später … bin ich wieder im Lande und morgen schreiten wir zum ersten Teil der Tat. Ein Immobilienkauf läuft hier ganz anders ab, als in Deutschland.
Wenn man eine Burg gefunden hat, die die persönlichen Kriterien erfüllt und von der man denkt, dass sie den finanziellen Möglichkeiten entspricht, macht man ein Preis-Angebot. Das läuft in 99% der Fälle über einen Makler, Privatverkäufe sind extrem selten. Der Grund ist u.a., dass Makler für die zugesicherten Eigenschaften des Objekts garantieren müssen. In einem Land, in dem über 80% der Gebäude sogenannte „leaky buildings“ (= undicht und feucht) sind, ist das sehr wichtig. Keine Übertreibung – selbst die Regierung hat diesen Prozentsatz eingeräumt und bastelt (relativ unfähig) an neuen, interessanten Bauvorschriften. Steinhäuser gibt es – gerade im Grossraum Wellington – so gut wie gar nicht. Die modernen Holzhäuser sind so billig zusammengezimmert, dass man schon beim Besichtigen (oder Vorbeifahren) den ersten Infarkt bekommt. Wir wohnen ja derzeit selbst in einem fast neuen Haus (gerade mal 2,5 Jahre alt), welches undicht ist und an einigen Stellen ziemlich bröselt. Wenn ich Zeit hab, mach ich mal ein paar Bilder. Unser Vermieter befindet sich seit über einem Jahr in einem ausgedehnten Rechtsstreit mit dem Bauträger und versucht seine 7-Jahres-Garantie geltend zu machen. Passieren tut nix – die Burg bröselt weiter vor sich hin … Viele Bauten sehen auch nur aus wie Holzhäuser, sind es aber nicht. Billigster Press-Span trifft es eher.
Alte Gebäude, z. B. aus der Kolonialzeit um ca. 1900, sind entsprechend superteuer (teurer als Neubauten), da sie ordentlich (und mit richtigem Holz) gebaut sind. Das ist – grob umrissen – die Situation hier in NZ. Wie schon öfter betont: das Land hier ist klasse und zum Leben in den meisten Bereichen wesentlich angenehmer als Deutschland, aber die Sache mit den Häusern ist hier ziemlich übel. Neu bauen kommt für uns nicht in Frage, da das Abenteuer eine Nummer zu gross für uns ist. Der Pfad durch die hiesigen (und regional extrem unterschiedlichen und teilweise unsinnigen) Bauvorschriften ist sehr teuer und kaum überschaubar. Ausserdem gibt es nur in neuen Baugebieten Grundstücke zu kaufen. Dort gibt es aber keinerlei Infrastruktur wie Bus, Ärzte, Schulen, Läden etc.. Wir wohnen in einem solchen Neubaugebiet und hassen es wie die Pest.

Allein die Fahrdienste für Jenny – Schule, Sport, etc. – machen einen fertig. Falls wir in der City nicht rechtzeitig loskommen oder im Stau stehen, sind wir im Eimer. Nächstes Jahr geht die Stressschraube noch ein paar Umdrehungen höher, da Jenny dann aufs College geht, das ist wieder in einem anderen Teilort und Vor- und Nach-Schulbetreuung gibt es dann auch nicht mehr.

Wir haben jetzt das Glück gehabt, ein Haus zu finden, was vielen unserer Wünsche entspricht: Es wurde anfangs der 80ger Jahre gebaut, von jemandem, der sein Handwerk offensichtlich gelernt hat und Decken und Wände gut isoliert hat. Das ist selbst heute (immerhin schreiben wir das Jahr 2010!!!) hier noch nicht üblich und auch nicht vorgeschrieben. Laut Bauvorschriften müssen nur ein paar Styropor-Chips auf den Dachboden gekippt werden, das ist KEIN Witz und erfüllt hier den Tatbestand der Isolierung.
Angesichts dessen haben wir eine Wunderburg gefunden! Wir beschäftigen uns seit fast 3,5 Jahren mit „Wohnen in Neuseeland“ und das ist das Beste, was uns bisher über den Weg gelaufen ist. Da die Lage auch noch gut ist und der Preis dank der Wirtschaftskrise erschwinglich ist, schlagen wir jetzt zu.
Neuseeländer haben auch eine ganz andere Mentalität, was Häuser betrifft: Qualität ist uninteressant, sie verstehen teilweise gar nicht, was Europäer zu meckern haben. Viel wichtiger ist doch z.B. eine Garage, noch besser: eine Doppelgarage und Platz für ein Boot. Isolierung? Will keiner wissen. Doppelverglasung? Na gut – ist seit letztem Jahr halt Vorschrift. Dafür zieht es hörbar durch die hohlen Wände, die Steckdosen und die Lampenfassungen. Macht ja nix, geheizt wird mit Strom oder Holzöfen. Energiekrise gabs hier noch nicht und die Winter sind ja nicht so kalt. Häuser werden hier auch häufiger gewechselt als die Autos. Ist ein Schuppen mies, wird verkauft, das ist hier normal …
Andere Länder – andere Probleme 😉

Über sabine.scholl

Dies ist der Neuseeland-Blog von Sabine, Jenny und Stephan Scholl. Ausgewandert April 2007 :-)
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