Freitag, der 13.
Ein weiterer Tag, an dem wir unser neues Land kennen lernen. Ein Tagesusflug – nach Cape Reinga, das ist die nördlichste Nordspitze Neuseelands. Es fing schon gut an, d. h. mit Regen. Winterless North – von wegen! Bei Hundekälte und Platzregen sind wir von unserem Motelzimmer bis an die Straße gelaufen, um auf den Bus zu warten. Der sollte uns 7.50 Uhr direkt vor der Moteleinfahrt abholen. Nachdem wir bis 8.00Uhr gut durchgeweicht waren, fuhr der Bus schwungvoll an uns vorbei. Na toll.
Wir beschlossen, ihm 10 Minuten Zeit zur Umkehr zu lassen, sonst würden wir zur Rezeption zurücklatschen und beim Veranstalter den Hammer kreisen lassen.
Gerade als wir der Straße unsere nassen Rücken gekehrt hatten, brummte der Bus heran uns hupte fröhlich. Also gut. Mit einer freudestrahlenden Entschuldigung bat uns der Busfahrer – ein Maori – in den Bus. Gottseidank war es da angenehm warm und nicht voll besetzt. Auf den kurvigen und ausgeprägt hügeligen Landstraßen – mit teilweise schön überhöhten Kurven versuchte unser blendend gelaunter Fahrer dem amtierenden Ralleyweltmeister Konkurrenz zu machen. Dabei erzählte er launige Anekdoten (when I was a young fellow …) aus seiner Jugend und natürlich über die Land- und Ortschaften, durch die wir fuhren. Das war sehr interessant, denn die Bay of Islands/das Northland ist die Gegend, wo sowohl die Maori als auch die Pakeha (die Weißen) zuerst gelandet sind. Viele Schlachten und Gemetzel später hat man sich dann im Vertrag von Waitangi 1840 auf eine friedliche Koexistenz geeinigt. Auf diesem Vertrag basiert auch heute noch der Umgang der beiden Kulturen miteinander.
Als erster Halt wurde uns „Kauri Kingdom“ avisiert – Pitstop, mit der Möglichkeit, eine Tasse Kaffee oder Tee zu bekommen. Bis dahin hat uns unser Maori dann mit einem Original Maori-Song unterhalten, in dem es um Begrüßungen gehen sollte (oder was auch immer). Es hörte sich eher wie ein Grabgesang auf den letzten großen Häuptling an. Als wir sicher waren, dass das Zahnwehlied zuende war, haben wir alle begeistert Beifall geklatscht.
Kauri Kingdom entpuppte sich dann als Verkaufsstelle für Kauri-Produkte. Kauri ist eine Baumart, die es auch heute noch in Neuseeland gibt. Die Kauri-Produkte, die es hier gibt, werden aus 50.000 Jahre alten Kauribäumen hergestellt, die gigantisch groß waren und aus sumpfigen Feldern in der Gegend geborgen werden. Aus einem Viertel-Baum hat man beispielsweise eine großzügige Wendeltreppe geschnitzt und es gibt natürlich jede Menge weitere Produkte: Tische, Teller, Kisten, Salatbesteck, Untersetzer etc. den üblichen Krempel eben. Wir haben die Sachen bestaunt, das Kind gewaltsam vom Kaufen abgehalten (…) und dann ging es auch schon weiter.
Das Wetter wurde langsam besser. Ein Teil des Weges bis Cape Reinga führte über den 90-Mile-Beach. Dieser ist offizieller Teil des neuseeländischen Highway-Netzes – und besteht tatsächlich aus Beach (= Strand). Teilweise fährt man sogar durch das Wasser – das Ganze natürlich mit Top-Speed, klaro. Die älteren Herrschaften in unserem Bus müssen hervorragende Haftcremes benutzt haben – eigentlich hatten Gebissträger keine Chance. Der 90-Mile-Beach heisst übrigens nur so – in Wirklichkeit ist er ca. 64 km lang, je nach Tide und Jahreszeit – der Name hat sich einfach eingebürgert, zumal in Kiwiland nicht in Meilen sondern in Kilometern gerechnet wird.
Nachdem wir auch noch die Treibsand-Bereiche hinter uns gelassen hatten und in die Wüste eingefahren waren, kam der sportliche Teil des Ausflugs: Bougie-Board fahren. Diese „Bretter“ sehen aus wie halbe Surfbretter und werden oben auf einer Düne auf den Sand gelegt, dann setzt oder legt man sich drauf (für alte Schlittenfahrer kein Problem) und rodelt mit einem Affenzacken den Berg runter. Geil. Das Problem ist der Aufstieg auf die Sanddüne – ist sehr anstrengend und sieht unwürdig aus. Macht man am besten barfuß, sonst is nix mit Buggl nuff.
Über ein eigentlich unbefahrbares Flußbett ging es in eine Art Steppenlandschaft, wo es auch noch Wildpferde gibt (haben wir leider nicht gesehen). Dann kamen wir zum Cape: sehr felsig, malerisch und wildromantisch. Ein kleiner weißer Leuchtturm tut hier seinen Dienst und wacht über die Stelle, an der der Pazifik und die Tasman-See aufeinandertreffen. Für die Maori ist es ein heiliger Ort, sie sagen, dass die Seelen der verstorbenen (egal wo sie gestorben sind) den 90-Mile-Beach entlang wandern und dann über diese Landspitze zu den Vorfahren eingehen.
Auf dem kurzen Fußweg vom Parkplatz zum Leuchtturm haben wir überlegt, ob wir unser Kind an die Leine legen sollen, es war so windig, wir hätten sie fast als Jennydrachen steigen lassen können.
Nach diesem Halt ging es zum Mittagessen nach Taipa in die Doubtless Bay (auch ein geschichtsträchtiger Ort, an dem vor 160 Jahren viele wichtige Leute angekommen sind). Dort sollte es ein Lunch-Büffet geben. Selbstredend gab es noch einen Appetizer-Song auf Maori. Der örtliche Fischerverein hatte sich wirklich Mühe gegeben – das Büffet war optisch einwandfrei. Für unsere englischen Buskameraden war es sicher auch ein kulinarischer Höhepunkt. Stephan war nach den ersten Bissen so mürbe, dass er sich ernsthaft überlegt hat, doch noch eine deutsche Wurstbude zu eröffnen. Da ich die englischen Würstchen kenne, habe ich nur kurz probiert, um mich zu vergewissern, das es sich um die übliche Sägemehlvariante handelt (Importware?). Jenny war trotz unserer Warnungen stark enttäuscht und hat dann versucht das „Steak“ zu essen. Es sah schon irgendwie steakähnlich aus, aber die Konsistenz ließ eher auf alte Lappen mit künstlich appliziertem Fleischgeschmack schließen.
Nebenan konnte man von alten Damen selbstgestricke Eierwärmer und selbstgemachten Honig kaufen – hat mich an einen typisch englichen Wohltätigkeitsbasar erinnert.
Nach diesem köstlichen Mahl ging es weiter (mit Maori-Songs selbstverständlich) zum Puketi Kauri Forest, einem schönen Naturschutzgebiet, in dem ursprünglicher Urwald bestaunt werden konnte. Das war wirklich eindrucksvoll. Damit die Natur nicht geschädigt wird, kann man durch diesen Wald nur über einen aus Holz gezimmerten Weg laufen, sehr sinnvoll, so können die Touris nix zertrampeln. Abenteuerlich war allerdings der Weg dahin. Leider befindet sich dieses Urwald-Reservat in den Bergen. Um dorthin zu kommen rasten wir mit dem Bus ca. 10 km mit Vollgas über einspurige unbefestigte Serpentinen-Schotterpisten mit senkrechten Steigungen den Berg rauf. Nichts für schwache Gemüter (wir saßen schliesslich in einem gewöhnlichen Bus und nicht in einem Jeep). Den Berg runter war dann auch nett – begleitet von einem Maori-Frülings-Wald-Lied, so fröhlich wie eine Wettervorhersage in der Antarktis. Jetzt wissen wir, warum es den Kiwis vor nix graut. Vielleicht hat unser fröhlicher Busfahrer auch obszöne Trinklieder geträllert, wer weiss das schon so genau. Seine Witze über die Australier waren allerdings nicht schlecht (was für uns die Schwaben sind, sind für die Neuseeländer die Australier).
Alles in allem war es ein schöner und interessanter Ausflug, wir haben wunderbare Natur gesehen, die mystische Seite der Maoris kennen gelernt … und mit der Kulinarik werden wir auch noch zurande kommen.
Abends habe ich noch eine Online-Bewerbung losgelassen – ich bin mal gespannt, was demnächst an Rückläufen passiert. Es ist ja erst Tag 13 – und angefangen mit den Bewerbungen habe ich am Tag 6. Da die Ausschreibungen noch laufen und diese Woche noch Ferien sind kann ich jetzt noch nichts erwarten. Also, Leute – macht euch keine Sorgen, ich bin auch nicht der einzige Bewerber, es wird sicher sortiert und irgendwann wird es mit Gesprächen losgehen – dann kommt auch der Job. Momentan haben wir halt keine Ahnung und keine Erfahrung, wie es hier läuft, die Kiwis machen einen mehr als entspannten Eindruck (Drogen?), habens nie eilig, aber alle freuen sich riesig, dass wir da sind. Also sehr spannend, die Geschichte.
14.04.07 – Samstag. Ja, jetzt wird es Zeit, an Abschied von Kerikeri zu denken – morgen (Sonntag) geht es wieder Richtung Auckland. Wir holen bei Marina unseren geparkten Krempel ab, übernachten in der Nähe, dann machen wir uns auf den Weg nach Taranaki/New Plymouth (den Bürgermeister besuchen!). Also wurde heute nochmal gewaschen. Jenny wollte unbedingt ins Kino, daher haben wir sie hier im Dorfkino abgeliefert. In der Zwischenzeit haben wir uns nach Waitangi aufgemacht um die heilige Stätte der Gründung (Birthplace of our Nation) Neuseelands zu besuchen. Es wird auch bei jeder Bewerbung verlangt, dass man mit den Grundsätzen des Vertrags von Waitangi einverstanden ist. Da Waitangi nicht weit weg ist sind wir also dahin gepilgert. Wir hatten nochmal Glück mit dem Wetter und sind froh, dass wir diesen „Kulturtrip“ gemacht haben.
Waitangi ist eine ganze Anlage, die sehr liebevoll gepflegt wird und einen Einblick in die damaligen Geschehnisse gibt. Man sieht den original Flaggenmast und die beiden Treaty Houses – eines im englischen Stil und eines im Maoristil. Dort gibt es auch ein großes geschnitztes Kriegskanu und weitere Maorikunst zu sehen. Wenn man Lust hat, kann man auch Folklore-Vorführungen besuchen – das war aber nicht so unser Ding, ausserdem mussten wir unser Kind ja wieder vom Kino abholen. Jenny meinte dann, dass unser Heimkino besser war (Bild UND Sound!). Snob.
Dann haben wir den Abend bei einem internationalen schottischen Nobelrestaurant (McDonalds) ausklingen lassen und haben uns wieder in unsere Hütte getrollt – morgen geht es schliesslich wieder auf große Fahrt, Berge von Zeuch müssen wieder gepackt werden – und euch musste ich ja schliesslich auch noch Bericht erstatten. Die Onlineverbindung ist hier übrigens eine Katastrophe, also nicht wundern, wenn wir derzeit keine Mails beantworten – bin froh, wenn ich die Bewerbungen und die Berichte auf die Reihe kriege. Hoffentlich wirds in Taranaki besser …
Spannende Geschichten!! Man muß wohl auch aus guten Genen bestehen, um diese Straßenverhältnisse ohne Magen an der Halskrause zu überstehen… Ich stelle es mir so für mich vor!!!!!Für Eure weiteren Aktivitäten/Aktionen wünsche ich Euch ganz viel Glück und Erfolg.. Bis zum nächsten Bericht viele Bussis. INGE