Arztbesuch

9.6.07, Samstag. Heute viel gearbeitet, ein Portfolio für Creativ-Job-Bewerbungen programmiert. Eigentlich habe ich heute keine Lust mehr, irgendwas zu machen – wir sind ja schliesslich wegen dem LIFESTYLE hier … . Gestern haben wir aber wieder mal eine Geschichte erlebt, die kann ich euch nicht vorenthalten.

Ein Arztbesuch war fällig. Wir laborieren an unseren Cholesterinwerten zwecks Immigration und brauchen eine Überweisung für einen Spezialisten, Jennys Ritalin ist alle und Olaf – unser Besuch – hat nicht genügend Blutdruckpillen mitgenommen. Wir hatten Trish (die Mutter einer Schulkameradin von Jenny) gefragt, wo es hier Ärzte gibt. Sie ist selbst Ärztin, praktiziert aber nicht, macht was ganz anderes. Sie hat uns ein Ärztehaus in der Nähe empfohlen, das sähe zwar nicht schön aus, hätte aber die besten Ärzte der Gegend. Allein praktizierende Ärzte gibt es hier so gut wie nicht.

Wir begeben uns also zum sozialen Brennpunkt und beobachten, wie die Glaser gerade wieder neue Fenster einsetzen. Wir betreten todesmutig das Gebäude, da es mit dem Ritalin eng wird und wir sonst (auf die Schnelle) keine Alternative haben. Wir haben bergeweise Papierkrieg und die Pässe dabei. Olaf hat uns eine leere Pillenpackung von seinen Tabletten mitgegeben.

Am Empfang wird nur Jenny aufgenommen, die Arzthelferin/Raumkosmetikerin meint, der Arzt müsse entscheiden, ob wir als Patienten aufgenommen werden können. Hochdeutsch: Wie bitte? Badisch: Hä? Sächsisch: Nu?

Wir sitzen im Gang auf Mobiliar von vor dem Krieg (hier: der Burenkrieg) und denken darüber nach ob das alles hier real oder virtuell ist. Bevor wir zu einem Schluss kommen, ruft uns ein kleines Männchen (Format Peggy, ca. 155 cm groß) in eine Abstellkammer mit reichlich Gerümpel. Ja, ein Arzt.
Wir machen etwas smalltalk, klären zunächst das Jenny-Problem – der Junge hat richtig was drauf: Wirkstoff, Risiken, Nebenwirkungen, alternative Therapieansätze – wir sind beeindruckt! Er stellt ein Rezept aus, nimmt die Füße vom Schreibtisch und fragt höflich, ob er noch was für uns tun kann. Wir schildern die Cholesterinstory, zeigen die letzten Laborergebnisse. Er lacht sich kaputt und meint, er wäre froh, wenn seine anderen Patienten solche Werte hätten. Aber er sagt auch dass solche Spielchen mit seltsamen Vorgaben durchaus üblich sind. Die Überweisung wird ausgestellt, er faxt die Sache auch sofort an die Spezialistenpraxis, damit die sich bei uns (!) wegen eines Termins melden.

Jetzt rücken wir noch mit Olafs Pillen raus und fragen in unserer grenzenlosen Naivität, ob man die Dinger in der Apotheke nebenan frei kaufen kann (von Blutdrucksenkern haben wir halt keine Ahnung). Der Doc lacht wieder und stellt ein Rezept für Olaf aus. Wir verabschieden uns von unserem neuen Kumpel und gehen völlig verdattert zurück zur Rezeption. Hier wird immer gleich gelöhnt – entweder vor oder nach der Konsultation. Nun sind wir sehr gespannt, was unser Besuch kostet.

Die Lady am Empfang rechnet ein bisschen auf einem Fresszettel herum und teilt uns dann freudestrahlend mit, dass der Besuch 20 NZ$ (also richtige 10 Euro) kostet. Wir fragen zur Sicherheit noch 2 Mal nach, dann bezahlen wir halt und trollen uns zur Apotheke. Auf der Heimfahrt spielen wir wieder unser Spiel:
Kommen in Deutschland drei Ausländer/Touristen zum Arzt … wollen Betäubungsmittel, zwei medizinische Gutachten mit Überweisung und und und … ihr könnt es euch vorstellen, oder?

Olaf freut sich wie Bolle, dass wir seine Pillen aufgetrieben haben und ist genauso platt wie wir, nachdem wir unsere Erfahrung schildern. Wenn man die Medikamentenpreise dann noch anschaut – ist man noch viel weiter weg in der Galaxie. Jennys Tabletten sind in Deutschland nicht teuer, kosten hier trotzdem nur die Hälfte. Olafs Pillen haben auch nur 16 NZ$ gekostet. Ein echter Witz. Da lohnt sich noch nicht mal das Einreichen der Quittung bei der Krankenkasse.

Also: entweder wachen wir irgendwann auf und sitzen wieder in Deutschland in der Suppe oder es ist echt … und manchmal kaum zu fassen. Es geht also auch anders 🙂

Über sabine.scholl

Dies ist der Neuseeland-Blog von Sabine, Jenny und Stephan Scholl. Ausgewandert April 2007 :-)
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Eine Antwort zu Arztbesuch

  1. Inge sagt:

    Klingt richtig gut….Hauptsache das Thema Cholesterin ist kein Problem. Schönes Wochenende noch. Bussi INGE

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